Kreta
- Der Osten
Je weiter man nach Osten kommt desto trockener, mitunter sogar
wüstenähnlicher wird die Landschaft. Bislang blieb
dieser Teil Kretas, vor allem in der Region um Sitia,
vom Ansturm des großen Massentourismus verschont.
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Agios Nikolaos - Das
Tor zum Osten |
Die "Last der Antike"
Wo immer man auch die Schaufel ansetzt bestehen große Chancen,
auf Antikes zu stoßen. Dieser Umstand machte es bislang
so gut wie unmöglich, die einzigartige Schönheit
der Landschaft mit kolossalen Hotelbauten zu ruinieren. Wo
Altertümer verborgen
sind darf nicht gebaut werden, bislang hielt sich Athen an
diesen Grundsatz, aber die Menschen im Osten wollen endlich auch
was vom großen Kuchen Tourismus abhaben. Und die Zeiten
ändern sich...
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Cavo Sidero Resort
- Hier soll es entstehen |
Das Cavo Sidero Luxus-Resort
Allmählich wächst der Druck meist ausländischer
Investoren auf die Region. Am äußersten östlichen
Ende der Insel, am Kap Sidero (Cavo Sidero), sollten im Mai
2007 die Bauarbeiten für
eines der größten europäischen Resorts und
das größte jemals in Griechenland errichtete touristische
Einzelprojekt beginnen. Die Planungen für dieses Resort
ziehen sich seit 1994 hin. Die Investitionssumme für diesen
Hotelkomplex liegt bei über 1,2 Milliarden Euro. Das Gelände,
auf dem dieses gewaltige Projekt aus dem Boden gestampft
werden soll, gehört dem Kloster Toplou. Der umtriebige
Abt hat den Investoren das Gelände zunächst für
40 Jahre verpachtet, mit der Option auf weitere 40 Jahre.
"Golf Total"
Drei (!) Golfplätze,
ein Yachthafen und fünf
"im kretischen Stil" gebaute Hoteldörfer sollen
für rund 7.000 (!) Gäste Platz
bieten. Dazu kommen zahlreiche Freizeiteinrichtungen, Kongresszentren,
Tennisplätze
etc. .
Nach Jahren eher zäher Planungen und endloser Verhandlungen
mit griechischen Ministerien nimmt dieses Gebilde, das einmal ''Cavo
Sidero Resort'' heißen wird,
nun Formen an. Zwar hatten sich, zur Überraschung der
Investoren, im Frühjahr 2006 zahlreiche Bewohner der
Ortschaft Palekastro bei einer Bürgerversammlung gegen
das Projekt ausgesprochen!
Jedoch haben die Investoren unterdessen die Genehmigung
für den ersten Bauabschnitt von den Behörden aus Athen erhalten.
Klage gegen das Projekt
Im Mai und November 2008 wurde vor dem höchsten
griechischen Gericht in Athen eine Sammelklage von mehr als
200 Gegnern des Projekts verhandelt. Dabei wurden zahlreiche
Ungereimtheiten im Zusammenhang mit der Überlassung des Grundstücks
an die Investoren öffentlich. Zwar hat die griechische
Regierung unter Karamanlis deutlich gemacht, dass sie das Projekt
unterstützt
und den Gegnern wenig Chancen einräumt,
das Resort noch verhindern zu können. Allerdings machte
das Gericht in Athen in seiner letzen Sitzung im November 2008
klar, dass angesichts der fragwürdigen Umstände im Zusammenhang
mit den Grundstücksverträgen eine Entscheidung nicht vor Mitte
2009 zu erwarten ist. Zudem ermittelt unterdessen die griechische
Staatsanwaltschaft in dieser Sache.
Aktueller Stand: Nach Presseberichten
hat das oberste griechische Verwaltungsericht am 10. Dezember 2010 das Projekt
zunächst gestoppt (Beschluss 3920/2010). Ausschlaggebend für den ablehnenden Bescheid
sei u.a. die Nichteinhaltung europäischer Umweltstandards. Nach Ansicht der Investoren ist dies jedoch nur "ein kleiner Rückschritt", der mit der neuen Gesetzgebung zur Beschleunigung von Bauvorhaben (Fast Track) wieder aufgeholt werden könne. Das Umweltgutachten werde nach Angaben der Investoren den neuen Vorgaben "angepasst" und man erwarte einen beschleunigten Bescheid schon im Januar 2011.
Sorge um Fauna, Flora und Altertümer
Derweil macht sich unter Archäologen, Ornithologen
und Umweltverbänden in ganz
Europa Entsetzen breit. Das Projekt wird von zahlreichen Altertumsforschern
wie auch Vogelkundlern und Umweltschützern gleichermaßen
rundweg abgelehnt. So steht die weitere Erforschung der minoischen
und dorischen Siedlungshistorie ebenso auf dem Spiel wie eine
der größten europäische Ansammlungen von Eleonorenfalken
auf den dem Kap vorgelagerten Inseln.
Die Population der Falken
ist nach Ansicht griechischer und deutscher Ornithologen dem
Tode geweiht, wenn die Jagdgebiete der Tiere auf dem Kap und
dem Umland des Kloster Toplou dem Bauboom zum Opfer fallen. Die
Bestände der Tiere gehen vor allem in Ostkreta ohnehin seit
Jahren zurück, weil die Bauern der Region Trinkschalen mit
dem Gift Methomyl aufstellen,
um ihre Weinberge vor Vogelfraß zu schützen. In
den trockenen Sommermonaten nutzen auch Falken diese Trinkschalen
und verenden wie zahllose andere Vögel elend. Zudem leiden
die Tiere unter dem Einsatz von Pestiziden im Olivenanbau.
Externe Informationen:
Investor: [Minoan
Group]
Infos: [Athens
News ]
[New
York Times ]
[The
Guardian - Leserbriefe ]
[Kurier/Wien] [Kreta
Umweltforum ]
[Gr.
Botschaft in Deutschland ]
[Eleonorenfalken
in Gefahr ]
[Gr.
ornithologische Gesellschaft ]
[Petition
gegen das Projekt ] [Eine
juristische Bewertung der bisherigen "Verträge" für den geplanten
Bau]
Und noch eins....?
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Cavo Plako Resort
- Noch mehr davon? |
Damit nicht genug: Wenige Kilometer östlich vom Dorfzentrum,
am Cavo Plako, soll ein weiteres 5-Sterne-Luxusgebilde
aus dem Boden gestampft werden. Auch hier sind
Golfplätze geplant. Fraglich bleibt dabei allerdings,
wie die ohnehin schon von Wassermangel geplagte Region insgesamt
5 Golfplätze
und zigtausend Touristen der "Spitzenklasse" verkraften
soll. Von der einzigartigen Flora und Fauna ganz zu schweigen.
Und das im Kielwasser solcher Projekte nicht nur die Natur
einen hohen Preis bezahlt, sondern auch über Jahrhunderte
gewachsene soziale Strukturen und dörfliche Gemeinschaften
vor die Hunde gehen, ist auf Kreta hinlänglich bekannt.
Ich empfehle in diesem Zusammenhang den Besuch einschlägiger
Ortschaften wie Malia oder Chersonnisou.
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Der Osten um Sitia |
Keine 'Ballermänner'
Der Osten ist also [noch] die ideale Region, um fernab aller
''Ballermänner''
individuell seinen Urlaub zu gestalten und zu genießen.
Dazu gehört auch die Bereitschaft, sich auf diese Landschaft,
die Menschen, den langsameren Lauf der Dinge einzulassen.
Was man hier nicht findet sind Pools und Strandbars, knallige
Discotheken im 50-Meter-Abstand, Anreisser vor Restaurants und
Nepp der billigsten Art.
Was man dagegen findet sind einzigartige Landschaften mit einer
intakten Flora und Fauna. Höfliche und freundliche Menschen,
für die der Tourismus nach wie vor nur ein Zubrot und
nicht die Haupterwerbsquelle ist. Das dies so bleibt
darf allerdings angesichts der gewaltigen Baumaßnahmen,
die bald in der Region beginnen, bezweifelt werden.
''Grünes Kreta''
Im Frühjahr (und wenn es viel regnet auch im Herbst) erblüht
der karge Osten. Die Hänge sind bedeckt von seltenen Blumen,
die Bienen schwirren zu Millionen aus, die Olivenbäume
stehen in voller Blüte. Seltene Zugvögel machen in
den Lagunen an der äußersten Ostküste Rast,
nicht selten entdeckt man Flamingos. Über der Bergen kreisen
Adler und Geier und die Dichte an Falken aller Art versetzt
selbst gestandene Ornithologen immer wieder in Erstaunen.
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Lagune Chiona-Bucht
- Palekastro |
Einsame Buchten
Die relativ dürftig ausgebaute touristische Infrastruktur
sorgt dafür, dass diese einzigartige Landschaft nicht von
Massen überlaufen wird. Das führt dazu, dass man selbst
in der Hochsaison mitunter kilometerweite Strände "ganz
für sich alleine" hat. Welche andere Region Kretas
kann das schon von sich behaupten? Ausnahme ist die Touristenhochburg
Vai, der berühmte Palmenstrand.
Hier versammeln sich täglich Hunderte bis Tausende von
Bussen herangekarrte Neckerfrauen- und Männer. Abends,
nach 17.00 Uhr, glaubt man sich wieder in einer anderen Welt.
Keine Menschenseele zu sehen, wo eben noch Radau und Remmidemmi
die Szene bestimmten. Längst sind die 'Pauschalen' wieder
auf ihrem mühseligen Weg zurück in ihre Bettenburgen
um Iraklion und Rethymnon.
Zukunft des Ostens
Mit der Inbetriebnahme des internationalen Flughafens von Sitia
verbinden die Menschen der
Region im Osten die Hoffnung auf einen Ausbau der touristischen
Infrastruktur. Dem stand bislang freilich die oben erwähnte
'Last der Antike' entgegen, die im Boden schlummert.
War also
noch Ende 2004 zu erwarten, dass der Ansturm ausbleibt
und die 'Touristes', die der neue Airport von Sitia ausspucken
wird, wohl eher in den Süden
um Makrigialos und Ierapetra gekarrt werden, so vollzieht sich
jetzt ein eklatanter Wandel mit den Bau der gigantischen Großanlagen
im Norden und Osten Palekastros. Nun zeichnet sich eine Entwicklung
ab, die der Norden Kretas schon bestens kennt: Es wird gebaut
auf Teufel komm raus...und das Gesicht Ostkretas wird sich völlig
verändern.
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